Mythos und Metamorphose: drei Frauen

PULVIRENTI, Grazia;
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Metamorphose ist bekanntlich ein zentraler Begriff in Goethes Werk. Über den Bereich der Naturwissenschaften hinaus läßt er sich auch auf das gesamte Spektrum des menschlichen Lebens anwenden, das sich dann als Prozeß und Ergebnis der ständigen mannigfaltigen Gestaltung und Umgestaltung von grundlegenden Gesetzlichkeiten des Menschen konfiguriert. Das Zusammenspiel von Wandel und Identität, das für den Begriff der Metamorphose konstitutiv ist, wird auch in Goethes mythologischem Diskurs aufgenommen und auf zwiefache Weise reflektiert: durch den Rückgriff auf die Bildlichkeit und Anschaulichkeit der Mythologie einerseits und durch den Rekurs auf die charakteristische Wandlungsfähigkeit myhologischer Erzählungen andererseits. Im Hinblick auf letztere lassen sich Mythen umschreiben, umgestalten und kontaminieren, ohne dabei deren ‘Bedeutsamkeit’ (Blumenberg) einzubüßen. Nicht zufällig gehörte Ovids Metamorphosen zu Goethes Lieblingsbüchern. Hier konnte der Dichter die Verschränkung zwischen Natur- und Mythosdiskurs konkret am Werk sehen.Im Goethes Konzept der Verwandlung kommt dem Prinzip des Weiblichen eine große Rolle zu. Wie es im Faust nahegelegt wird, fungiert das Ewig-Weibliche als Verkörperung der Verwandlung des Seins und als Versöhnung von Sein und Nichts, Diastole und Systole (Das Gedicht Die Metamorphose der Pflanzen ist bekannlich Christiane Vulpius zugeeignet). Hinzu kommt es, daß mythische Verwandlungserzählungen in einer gender-Perspektive als traditionell weiblich konnotiert sind. Im folgenden soll anhand drei mythologischer Gestalten auf den Zusammenhang Mythos, Weiblichkeit und Metamorphose bei Goethe eingegangen werden.«Dieser schöne Begriff von Macht und Schranken, von Willkür / Und Gesetz, von Freiheit und Maß, von beweglicher Ordnung, / Vorzug und Mangel erfreue dich hoch! Die heilige Muse / Bringt harmonisch ihn dir, mit sanftem Zwange belehrend. / Keinen höhern Begriff erringt der sittliche Denker, / Keinen der tätige Mann, der dichtende Künstler; der Herrscher, / Der verdient, es zu sein, erfreut nur durch ihn sich der Krone.» Diese Dysticha aus dem Gedicht Metamorphose der Tiere fassen den Gang zur Bildung der Persönlichkeit und des Bewußtseins des Menschen als Metamorphose auf; sie erwähnen dabei vier männliche Subjektmuster («der sittliche Denker», «der tätige Mann», «der dichtende Künstler», «der Herrscher»). IPHIGENIE: Die Gestalt der Iphigenie scheint jedoch wie keine andere die hier angestrebte Balance zwischen subjektivem Willen und objektiver Gesetzlichkeit zu verkörpern. Die Dramatisierung der psychischen Konflikte, die durch die Worte Iphigeniens stattfindet, entwerfen das utopische Projekt einer andersartigen, weiblichen Auseinandersetzung mit interkulturellen, sozialen und politischen Konflikten. (Pulvirenti) HELENA: An der Gestalt Helenas läßt sich der Komplex Identität / Verwandlung, Einheit / Vielheit eindrücklich verdeutlichen. Schon die Überlieferung der Helena-Sage ist vielfältig und zum Teil auch widersprüchlich: «Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild, /In Ilios gesehen und in Ägypten auch». Darauf spielt Phorkyas / Mephisto an, und versucht damit Helena zur Verantwortung zu ziehen und sie dabei an eine ihrer vielen möglichen historischen Vergegenwärtigungen, derer sich die im hic et nunc weilende Heroine nicht bewußt sein will (und kann), zu haften. Hingegen zeigt sich die Wandlungsfähigkeit der mythischen Heroine gerade darin, daß sie gleichzeitig als (überzeitliches ) Urphänomen der Schönheit und als dessen viele möglichen jeweiligen historischen Verkörperungen erscheint. Das Schöne ist identisch mit sich selbst und doch immer vielfältig in seinen geschichtlichen Erscheinungsformen, wie im Mythos der ägyptischen Helena deutlich gezeigt wird. (Lorella Bosco)PROSERPINA: Goethes Monodrama kristallisiert in sich den Moment der äußersten Verwandlung: das Essen des Gra¬natapfels. Diese Szene ist die kon¬zentrierteste symbolisch-mythische Darstellung des Überganges vom Leben in den Tod. Eine Entscheidung ohne Willensentscheidung. Die monodramatische Form, die Rezeption der Mythe und die poetische Symbolisation schließen sich darin zusammen, daß Pro¬serpina einen Moment der Ereignishaftigkeit zu fassen sucht: den Übergang von höch¬ster Lebensgegenwärtigkeit zur Todesverfallenheit. Eine urplötzliche „magische Ver¬schrei¬bung“, wie Goethe selbst dies bezeichnet hat, die auch als Schlüssel zu Goethes Mythosauffassung, und –darstellung zur geltung kommt, die einen neuen Zugang auch zu Fausts „dunklem Gang“ zu den „Müttern“ gibt, der das Höhepunkt jeder metamorphischen Verwandlung bildet, und als Schlüsselpunkt von Goethes Poetik zu sehen ist. (Gambino)
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Utilizza questo identificativo per citare o creare un link a questo documento: https://hdl.handle.net/20.500.11769/76918
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